Stimmlage # 112 und # 114
Meine Kolumne Stimmlage (Zeitschrift Stimme) in den Ausgaben Herbst 2019 und Frühjahr 2020:
Egal ob sich nun der politische Blick des Exilanten auf das Herkunftsland richtet oder auf sein Leben im Aufnahmeland – jeder Versuch, gleichberechtigt mitzureden und das Leben da oder dort mitzugestalten, stößt auf die reservierte Haltung derer, die da oder dort „wirklich beheimatet“ leben. Durch sie wird uns im Exil Lebenden die Fähigkeit zu einem Innenblick abgesprochen und verweigert. Jeder kritische Satz des Exilanten über die jeweilige Gesellschaft wird abgeschmettert mit „Es ist freilich ein Leichtes, von außen so zu reden“, mit „Was erlauben Sie sich; bei Ihnen dort unten ist es ja viel schlimmer“ oder dergleichen.
Die Zeichen liegen sehr deutlich vor uns: Der Staat wird autoritärer; eine rein auf sprachliche Reglementierung abstellende Gegenpolitik ruft paradoxerweise just autoritäre Maßnahmen herbei; unterdessen wird es zunehmend salonfähig, in öffentlichen Debatten über bestimmte Minderheiten (derzeit Migrant_innen und Geflüchtete) offen ablehnend bis rassistisch zu reden und dies zur Staatsräson zu erklären.